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ANGST | RÜCKBLICK

Gestern war ein weniger guter Tag. Eigentlich war gestern ein schlechter Tag, denn... Ich fühle mich schon den ganzen Tag sehr erschöpft, mü...




Gestern war ein weniger guter Tag. Eigentlich war gestern ein schlechter Tag, denn...

Ich fühle mich schon den ganzen Tag sehr erschöpft, müde, irgendwie vernebelt im Kopf und habe Angst. Keine Angst vor etwas Bestimmtem, einfach Angst. Und diese Angst laugt aus, ist unheimlich anstrengend und unangenehm, sie macht müde und erschöpft mich noch mehr. Sie überflutet alles andere und ich kann nicht mehr klar denken. Und ich liebe Klarheit. Die Angst verunsichert mich, nährt meine Zweifel und Zwangsgedanken. Und ich liebe Sicherheit. Und meine Zwangsgedanken nähren meine Angst und meine Angst nährt meine Zwangsgedanken. Ich habe das Gefühl keine Luft zu bekommen, mein Herz hämmert fest und schnell in meiner Brust, ich fühle mich wie gelähmt, mein Rücken kribbelt, ich habe eiskalte und schweißnasse Hände, mein Mund ist staubtrocken, mein Fuß zuckt nervös, ich kann ihn nicht stoppen. Und so geht es dahin.

Ich versuche mich zu entspannen, loszulassen, versuche ein bisschen zu schlafen, versuche tief durchzuatmen. Doch es gelingt mir nicht. Es wird immer schlimmer. Also entscheide ich mich zwei Beruhigungstropfen zu nehmen. Es wird ein bisschen besser. Ich schaffe es mir Mittagessen zu kochen, ich möchte so gerne etwas tun, möchte so gerne frei sein. Angstfrei. Frei von diesen Fesseln.

Am Abend hätte ich Yoga. Ich möchte unbedingt hinaus, etwas erleben, mich entspannen, unter Leute! Aber die Welt ist mir heute zu laut, zu schnell, zu viel. Ich bin nervös, hab noch mehr Angst und nehme noch drei Tropfen. Ich traue es mir nicht zu, alleine mit dem Bus zu fahren. Also nehme ich ein Taxi. Der Fahrer spricht kaum. Gut, denn ich brauche Ruhe. Kann sowieso nicht klar denken oder gar Smalltalk führen. Plötzlich dreht er die Musik lauter. Es ist zu viel, einfach zu viel. Mein Ohr dröhnt, mein Kopf dröhnt, beides tut einfach nur weh. Ich bitte ihn die Musik leiser zu drehen und er macht es sofort, reagiert ganz freundlich. Ich bin so froh, dass ich mir getraut habe etwas zu sagen, denn das ist nicht immer so. Ich möchte nicht unangenehm auffallen, ich möchte nicht als die Nörglerin rüberkommen, ich möchte niemandem zur Last fallen oder lästig sein. Aber ich darf mich auch wohlfühlen!

Beim Yoga schwitze ich extrem, obwohl wir keine anstrengenden Haltungen einnehmen. Das sind die Nebenwirkungen meiner Medikamente. Eine von 10, von 100? Ich fühle mich wohl und sicher in meiner Gruppe. Alle wissen Bescheid, sie reagieren einfühlsam und liebevoll, haben Verständnis und Mitgefühl. Ich bin so dankbar, denn das ist nicht immer oder überall so. Während dem Yoga kann ich etwas abschalten, versuche mich besser zu spüren. Versuche MICH besser zu spüren, als nur diese scheiß Angst. Die Zwangsgedanken kommen und gehen, erschrecken mich immer wieder. Ich spüre immer mehr, dass ich Sicherheit brauche und will!

Danach holt mich mein Freund ab. Mit dem Auto. Er ist mein sicherer Hafen. Immer. Tag und Nacht. Ihm kann ich alles anvertrauen. Zuhause bekomme ich eine Panikattacke. Ich kann plötzlich nicht mehr sprechen. Es verschlägt mir wortwörtlich die Sprache. Ich, die so viele Wörter kennt und so viel zu sagen hat. Mit Händen und Füßen versuche ich meinem Partner mitzuteilen was mich stresst. Er spricht aus was ich denke und beruhigt mich. Gibt mir Zeit mich zu fassen. Und dann kann ich wieder sprechen. Aber es ist Gestotter, ich schaffe es vor lauter Angst nicht mehr meine Atmung und mein Reden zu koordinieren. Aber er vollendet meine Sätze, kennt mich so gut und weiß was ich denke und sagen möchte. Ich beende unser Abendessen schweigend. Danach kuscheln wir vor dem Fernseher und sind beide müde. Müde aus dem selben Grund. Weil wir hart arbeiten. Mein Partner ist Arzt, er kämpft für das Augenlicht. Ich bin krank und kämpfe gegen die Angst.

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